„Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin, dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine hingewiesen werden.“

Gestern habe ich wieder Flugtickets zu meiner Mama gebucht, schließlich ist Weihnachten und das ist schließlich ein triftiger Grund die Menschen, die einen wohl am meisten lieben endlich wiederzusehen. Dieses Jahr wird sogar noch ein bisschen besser, denn meine Großmutter wird auch da sein und so kommt die ganze Familie zusammen – endlich!!
Denn die letzten Jahre haben wir es irgendwie verpasst alle miteinander Weihnachten zu feiern und so hat Oma die letzten Jahre allein gefeiert.

Wir vergessen oft, dass Weihnachten nicht daraus besteht sich gegenseitig zu beschenken und zu bekochen, sondern dass es ein Familienfest ist, also ein Fest, das der Familie dient.
Es geht darum wieder mehr Zeit miteinander zu verbringen, einander zuzuhören und auch voneinander zu lernen.
Meine Oma hat in ihren 76 Jahren eine ganze Menge gelernt:
Wie man gut kocht, wie man eine Mannschaft zusammenhält und auch wie man sich einen Ehemann angelt ohne seine Sprache zu sprechen. Doch meine Oma weiss noch mehr: wie man nämlich Kriege überlebt und wie man Frieden schafft.
Und sie hat manchmal diese Gelassenheit, die man nur dann hat, wenn man schon alles gesehen und gelebt hat.

Wenn ich mich mit meiner Mama streite, dann nimmt sie das mit Humor: „Du musst sie nehmen wie sie ist, Masha, du hast keine andere Wahl. Sie ist deine Mutter!“ sagt sie dann immer zu mir und „deine Tochter ist erwachsen geworden und trifft ihre eigenen Entscheidungen – das solltest du akzeptieren!“ sagt sie dann immer zu meiner Mutter. Wir streiten uns nicht oft, aber wenn, dann sehr leidenschaftlich und mit harten Bandagen.
Neulich zum Beispiel, oder auch bei meinen ersten Tattoos.
Meine Oma war es damals, die mit einem Augenzwinkern zu mir sagte „Wenn ich in deinem Alter wäre, hätte ich mir sicherlich auch ein kleines Tattoo gemacht!“ als ich mit 18 und meinem ersten Tattoo nach Hause kam und meine Oma mich in Schutz vor meiner Mutter nahm, die bereit war mich für diese Gräueltat zu erschlagen.
Und meine Oma war es auch, die mir neulich sagte „nimm dir die Launen deiner Mutter nicht zu Herzen. Sie liebt dich einfach sehr und ist schnell beleidigt, wenn du sie wochenlang auf die lange Bank schiebst.“
Meine Oma war schon immer unsere diplomatische Vermittlerin und Worte können nicht ausdrücken wie lieb ich sie habe.

Wir denken immer, dass unsere Familie immer bei uns ist, egal ob an Weihnachten oder an Tagen, wo einfach alles schief geht. Die Familie ist immer da und wenn ich mal wieder durch die Weltgeschichte bummle, ist meine Familie immer an ihrem Platz, denn sie ist mein Anker.
Und das ist sie auch. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt.

Wir vergessen nämlich auch gleichzeitig, dass wir alle älter werden und manchmal auch bedürftiger und unsere Liebsten nicht für alle Ewigkeiten mit uns Weihnachten feiern können. Ich will euch nicht traurig machen, sondern euch nur daran erinnern, wie wichtig der Zusammenhalt ist und ihr das nicht vergesst, weil Banalitäten gegenwärtig wichtiger erscheinen – grade an Weihnachten.
Die Großeltern sind es, die unsere Aufmerksamkeit brauchen, denn sie waren für uns da, als wir sie brauchten. Jetzt sind wir an der Reihe Opa’s Abenteuer zu lauschen und Oma’s Weisheiten zu befolgen. Schließlich haben sie ein ganzes Leben lang Erfahrungen gesammelt, die sie mit uns teilen wollen und aus denen wir schöpfen können.
Manchmal haben unsere Großeltern merkwürdige Eigenschaften, aber hey, ist es nicht auch spannend zu erfahren warum sie zum Beispiel immer alles aufessen und lauter unnötigen Kram horten?
Je älter ich werde, desto mehr interessiert mich das Leben meiner Vorfahren und desto trauriger bin ich darüber, dass ich kaum etwas darüber weiss.

Mein Opa ist leider bereits verstorben und ich finde es unheimlich schade, ihn nie nach seinen Abenteuern gefragt zu haben und über seine Erfahrungen gesprochen zu haben. Ich kann nur spekulieren, wie er damals als junger Mann gewesen ist und was seine Sorgen und Ängste waren. Ich weiss nicht, woher er diese eine riesige Narbe hat und wofür eigentlich sein kleines Tattoo auf dem Unterarm stand. Mein Opa ist nicht mehr da und so werden all diese Fragen unbeantwortet bleiben.

Weihnachten steht vor der Tür und ich werde meine Oma dieses Jahr mit Fragen löchern über ihre Jugend und ihr Leben, zum Beispiel wie Weihnachten denn so war, als sie 26 war.

Also: Vergesst eure Eltern und Großeltern vor lauter Geschenke-shopping nicht.
Vernachlässigt sie nicht, denn sie brauchen euch jetzt mehr als ihr sie.
Und wer weiss, vielleicht können sie euch ein Geschenk machen, das wertvoller ist als Geld.