Ich bin extra etwas früher angereist, um ein paar Tage in Paris verbringen zu können.
Paris – die Stadt, die so hell strahlt, wie kaum eine Andere und die mich jedes Mal aufs Neue packt.
Und da war ich – angekommen in meinem Hotelzimmer und mehr als bereit mich ins Getümmel zu stürzen. Aber – da war kein Getümmel.

Stattdessen war da nur ich allein und auch wenn ich es oft genieße auch allein zu sein, so gibt es auch Momente in denen ich es besser nicht sollte. Momente, in denen es mir schlichtweg nicht guttut allein zu sein. Momente der Ruhe und Momente in denen ich oft ganz plötzlich in ein Loch falle, in dem ich mich am liebsten für immer verkriechen würde.
Ein Loch, in dem Selbstzweifel und Traurigkeit auf mich warten.
Ein Loch der Depression.

Ob man zu Depressionen neigt oder nicht, merkt man schon ziemlich früh – zumindest war das in meinem Fall so. Ich war als Kind schon oft so merkwürdig traurig, doch welches Kind kennt schon das Wort Depression und viele Eltern, nicht zuletzt meine Mutter hatten Schwierigkeiten damit umzugehen. Sie nannte sie immer meine schwachen Momente, bzw. meine Schwäche. Denn obwohl ich es eigentlich besser wusste, war immer sie die Erste, mit der ich dann sprach. Über meine Ängste und Sorgen redete, meine Traurigkeit in Worte fasste, damit auch sie es versteht. Aber das tat sie nicht. Das tut sie immer noch nicht.

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„Das sind die Gene deines Vaters, die da wieder zum Vorschein kommen.
Der war auch ständig depressiv und hat nichts auf die Reihe bekommen! Du musst deinen Vater aus dir rausbekommen. Dein Vater war schwach. Du wünschte du würdest mehr nach mir gehen, denn starke Menschen haben keine Depressionen. Sie können sie keine leisten. Diese Eigenschaft regelmäßig in Depressionen zu verfallen, ist ein wirklich schwacher Zug von dir.“

Depression. Schwäche. Sie meinte es als Schimpfwort.
Und dann:
„Was soll denn aus dir werden, wenn du immer nur an dir zweifelst?“
Ja – was eigentlich?
Irgendwann kommt dann der Moment, wenn ich das Gespräch abwürge, mich verkrieche und in mein Loch falle.
Meine heimliche Zuflucht.
Der Ort an dem ich nicht gefunden werden will und es eigenartig still um mich wird.
Der Moment, in dem ich falle.

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Natürlich hat meine Mutter auch irgendwo Recht: ich habe tatsächlich seltener „schwache Momente“, wenn ich enorm eingespannt bin und keine Zeit habe zu grübeln. Momente, in denen ich allerdings auch nicht zufrieden bin, weil ich zwar nicht traurig bin, aber dafür kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehe, wegen der Arbeit, die mich überfordert.

Natürlich ist das kein Dauerzustand bei mir:
Hin und wieder gibt es auch diese kostbaren Momente, in denen ich einfach nur glücklich bin – so glücklich, dass ich am liebsten das reine Glück festhalten und abfüllen würde. Momente, in denen der Körper überflutet wird von warmer Euphorie und man sich wie auf weichen Wolken bewegt, beschwingt von der Leichtigkeit, die mich umgibt. Doch dann kommen da diese Momente danach: das Glück ist aufgebraucht, der Euphorie Speicher ist leer und alles was mir bleibt ist diese verfluchte Traurigkeit, die mich irgendwie ständig begleitet und von der dieser Blog so viele Jahre gelebt hat, als das Glück nur ein sehr seltener Besucher war in meinem Leben.
Als würde Jemand den Stecker ziehen und alle Lichter gingen aus.

Leere ist ein Wort, das meinen gelegentlichen Gemütszustand ganz gut beschreibt. Leer von Glück, leer von Stolz, leer von Hoffnung. Ein leerer, dunkler Raum. Alles scheint wertlos – man selbst eingeschlossen.

Meine Mutter kennt das Gefühl nicht – oder sie lässt es mich nicht wissen. Sie gehört nicht zu den Menschen, die sich manchmal am liebsten tagelang einschließen würden, um über ihr Leben zu grübeln. Sie ist kein Mensch, der manchmal ohne jeden Grund traurig ist. Und sie versteht es nicht, dass ausgerechnet ihre Tochter, die ja wohl alles bekommt, sich darüber auch noch beklagt.
„Du solltest dankbarer sein für die Möglichkeiten sein, die dir gegeben werden und nicht traurig über die, die dir ausgeschlagen wurden. Und jetzt hör auf rumzuheulen.“ lautet dann ihr guter Rat.

Es ist nicht so, dass ich tatsächlich rumheule und ich bin mir sicher sie bezweckt damit, dass ich mich aufraffe, aber das tue ich nicht. Ich glaube sie weiss gar nicht, dass sie es mit solchen Worten schlimmer macht. Dass, wenn ich mich vorher elend gefühlt habe, unverstanden noch dazu kommt.
„Du hast kein Recht dich elend zu fühlen.“
Zack – Schuldgefühle on top.

Die Last wird schwerer und es gibt kaum
etwas, das wirklich dagegen hilft.
Klar, manchmal schaffe ich es auch mich
zusammenzureissen, meine Gedanken zu verdrängen,
mich auf andere Dinge zu konzentrieren und
in Arbeit zu versinken. Oder einfach zu schlafen.

Und vielleicht ist das das beste Heilmittel von allen:
Schlafen und auf den frühen Morgen hoffen.
Denn der sieht am nächsten Tag meistens
schon wieder ganz anders aus
– vor allem in Paris, la ville lumière.