Du bist nicht mehr hier. Irgendwo anders. Wir sind uns nie begegnet, trotzdem warst du mir immer nah.

Liebe Maja,

ich halte dich für eine starke, engagierte, aber vor allem – und das ist das wichtigste – eine wahnsinnig mutige Frau. Es gibt Menschen, die sich nie getroffen haben. Es gibt Menschen, die das tun sollten. Ich weiß, wir werden uns in diesem Leben, zumindest persönlich, nie begegnen. Doch ich werde mich, solange ich lebe, dir nah fühlen. Ich fühle mich dir nah. Und deswegen sind wir uns schon längst begegnet. So viele Menschen bauen eine Fassade auf. Sie geben sich nach außen stark, zeigen was und wer sie sind. Doch was und wer sie tatsächlich sind, wissen nur sie selbst. Nur du allein wusstest es. Ich habe dich sehr bewundert und bewundere dich immer noch. Ich kenne nur Geschichten von dir. Anekdoten, subjektive Wahrnehmungen. Sie haben ein Bild erschaffen, und dieses Bild bist du für mich. Es ist ein Bild, das Andere von dir wahrgenommen haben. Menschen, die dich zu schätzen wussten und geliebt haben, da bin ich mir sicher. Es ist nicht wichtig, wer mir von dir erzählt hat. Ob es unser gemeinsamer Bruder war und mich mit deinen Geschichten zum Lachen gebracht hat – oder Menschen, die mir vorerst fremd waren. Ich war beeindruckt von dir, ich bin beeindruckt von dir, denn du hast vieles getan, wozu ich den Mut nie hatte.

Wir haben an demselben Ort gelebt. Viele Dinge ähnlich wahrgenommen, das hast du mir in deinen Briefen und vor allem durch deine Unterstützung gezeigt. Wir haben uns beide an diesem Ort vorerst fremd gefühlt. Verloren. Auch du warst ein Mensch, der ausbrechen musste. Freiheitsliebend und eigenständig. Du auf deine Art und Weise – und ich auf meine. Wir waren in dieser fremden Welt vorerst gefangen. Denn diese Freiheit war nicht mehr da, und genau das hat uns dennoch viele Erfahrungen machen lassen. Ich bekam sie erst wieder, als ich bei unserem Bruder und unserer Mama war. Familia peruana. Du hast mir immer in deinen Nachrichten von ihnen erzählt. Menschen, die in denselben Menschen Halt finden, finden – ohne sich kennen zu lernen – Halt ineinander. Du hast mir diesen Anstoß gegeben. Deine Unterstützung, deine Ratschläge, sie haben mich indirekt zu dem Jahr geführt, was ich mir gewünscht habe. Sie haben dieses Jahr in der „Fremde“, zu dem gemacht was sie immer sein werden – unvergesslich. Ein ewiges Fernheimweh .

Du warst eine wahnsinnig mutige Frau. Du hast in dieser vorerst fremden Welt immer die Augen geöffnet; immer den Mut gefasst das zu tun was dich ausmacht. Du hast dich nicht von Worten und Blicken beeinflussen lassen. Du bist deinen Weg gegangen.

Als wir beide wieder hier waren. In unserem „Heimatland“. Da hast du mich gefragt ob du hier schlafen kannst. Ich war mit mir beschäftigt. Mit meinen eigenen Ängsten. Wieder gefangen.

Jetzt wo du nicht mehr da bist, denke ich oft an diese kleine Nachricht zurück. Hätte es etwas geändert? Wären wir heute gute Freunde? Wärst du mir nah? Wären wir Bekannte? Ich weiß es nicht.

Du bist nicht mehr hier. Irgendwo anders. Wir sind uns nie begegnet, trotzdem warst du mir immer nah. Und wirst es immer sein. Du hattest unendlich viel Mut, den ich nie hatte. Es ist das Bild das ich von dir kenne. Ich denke oft an dich.

Du warst eine starke Frau. Mutig. Immer fröhlich, ausgelassen und hast deine „locuras“ gemacht. Es ist das Bild, was all die Menschen, die dich kennen gelernt haben, erschaffen haben. Und ich deshalb kenne. Ich bewundere dich. Deinen Mut. Ich weiß nicht, was dir gefehlt hat. Vielleicht erahne ich es. Du hattest Ängste und Sorgen, die du nicht mitgeteilt hast. Vielleicht mit dir selbst ausgemacht hast. Die keiner der Menschen, die dich kennengelernt haben so erahnen konnten, um dir zu helfen. Ich würde niemals wagen zu sagen, dass ich dich kannte. Doch einen Teil von dir, ein Bild von dir – kenne ich. Du wirst immer in den Herzen der Menschen bleiben, die dich kennen- und lieben gelernt haben. Und auch in meinem.